Fragen und Antworten



Brauchen wir den Luchs?

Etwa 200 Jahre lang ging es in Deutschland auch ohne den Luchs, wozu brauchen wir ihn dann jetzt? - Solche und ähnliche Fragen werden sehr oft von Gegnern dieser Tierart gestellt, vor allem auch von vielen Jagdausübenden. Im Glauben, etwas Nützliches zu tun und „Probleme“ aus der Welt zu schaffen, wurde der Luchs in vergangenen Jahrhunderten gnadenlos und bis zur endgültigen Ausrottung gejagt. Nun lässt man ihn nicht nur wieder zu, sondern forciert sogar seine Wiederansiedlung durch aufwendige Projekte. Warum?

Eine fälschlicherweise oft auf diese Frage gegebene Antwort lautet, dass der Luchs als Beutegreifer im Nahrungsnetz des Ökosystems Wald eine so wichtige Rolle spielt, dass er die derzeit zu hohen Rehbestände auf ein dem Wald verträgliches Maß reduzieren kann. Die Bedeutung des Luchses wird jedoch hierbei deutlich überschätzt. Aufgrund seines Sozialverhaltens kann es immer nur so wenige Luchse geben, dass sie zwar das Verhalten der Rehe beeinflussen, aber kaum ihre Bestandsgröße minimieren werden. Außerdem ist es in der Regel so, dass nicht der Beutegreifer die Populationsgröße der Beutetiere beeinflusst, sondern umgekehrt, die Zahl der verfügbaren Beutetiere bedingt die mögliche Anzahl der Beutegreifer.

Der Luchs gehört in unsere mitteleuropäische und somit deutsche Fauna. In den waldreichen Gebieten Deutschlands kommt er problemlos zurecht und auch die anderen ursprünglichen Vertreter der hiesigen Tierwelt sind an eine potentielle Anwesenheit des Luchses angepasst. Es ist ein Fehler des Menschen, seine Mitgeschöpfe nach ihrer Nützlichkeit zu beurteilen. Dieser Fehler wurde in der Vergangenheit auch in Bezug auf den Luchs gemacht und wurde diesem letztlich zum Verhängnis. Mit dem Erkennen dieses Fehlers geht die ethische und moralische Pflicht der Wiedergutmachung einher, indem endlich dem Luchs seine Daseinsberechtigung zugestanden wird.

Der Luchs ist somit ein Symbol für ein neues Naturverständnis. Weil der Luchs zudem ein nach europäischem Recht (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie 92/43/EWG) geschütztes Tier ist, ist auch Deutschland dazu verpflichtet, wirksame Maßnahmen zum Erhalt und zur Festigung der Luchspopulationen umzusetzen. Dazu gehört die Ausweisung von Schutzgebieten, der Erhalt von Lebensräumen, die Schaffung von Wanderkorridoren, Querungshilfen von Verkehrswegen (z.B. Grünbrücken) u. a. Alle diese geforderten Maßnahmen kommen bei ihrer Umsetzung auch anderen Waldtierarten mit großem Raumbedarf und der Natur allgemein zugute.


Greifen Luchse Menschen an?

Der Luchs ist ein imposanter Beutegreifer, der alle Voraussetzungen mitbringt, um selbst größere Tiere zu erlegen. Seine Waffen, die scharfen Zähne und Krallen, setzt er natürlich bei einer Bedrohung auch zur Verteidigung ein. Ansonsten ist der Luchs ein scheues Wildtier und nur wenigen Menschen ist es vergönnt, einmal einem Luchs in der Natur zu begegnen. Luchse greifen ohne jegliche Provokation  keine Menschen an, im Gegenteil, sie machen einen weiten Bogen um sie. Der Luchs ist also keine Gefahr für den Menschen!


Warum wurden Luchse im Harz ausgesetzt?

Der Eurasische Luchs gehört zur Fauna Europas und Asiens. Seine Daseinsberechtigung wurde ihm aber in weiten Teilen Europas vom Menschen abgesprochen, mit der Konsequenz seiner weitestgehenden Ausrottung in Mittel- und Westeuropa. So verschwand der Luchs vor etwa 180 Jahren auch aus Deutschland.

Seit 1990 gehören Wölfe, Luchse und auch Braunbären in der Bundesrepublik Deutschland zu den gesetzlich geschützten Tierarten. Damit soll diesen Tieren auch eine Rückkehr in geeignete Lebensräume Deutschlands ermöglicht werden. Letzteres gelingt den Wölfen selbstständig. Auf Grund ihres enormen Wandervermögens können aus Osteuropa kommende Wölfe eigentlich jeden Teil Deutschlands erreichen. Begünstigt werden Wölfe dabei durch ihre große Anpassungsfähigkeit, welche ihnen auch ein Überleben in unseren Kultur-, Agrar- und sogar Industrielandschaften ermöglicht.

Die großen mitteldeutschen Waldgebiete des Harzes oder auch des Thüringer Waldes sind als Lebensräume für den Luchs hervorragend geeignet. Die Rückkehr dorthin gelingt ihm aber nur mit Hilfe des Menschen. Denn die Entfernung zu den Populationen des Luchses, welche der Ausrottung in Europa entgangen sind, z. B. in den Karpaten, ist zu groß, als dass der Luchs von selbst diese Mittelgebirge erreichen könnte. Luchsen fehlt der Drang und das Vermögen, große Wanderungen außerhalb ihrer Streifgebiete zu unternehmen, wie es den Wölfen so eigen ist. Hinzu kommt, dass der Luchs deckungsarme Landschaften meidet, weshalb Agrarflächen unüberwindbare Ausbreitungsbarrieren darstellen. Die Wiederansiedlung des Luchses im Harz und damit auch in Nordthüringen war deshalb nur durch das gezielte Auswildern ehemaliger Gehegeluchse möglich (Infos dazu  unter www.luchsprojekt-harz.de).

Auch die heutigen Luchsbestände im Bayerischen Wald gehen vor allem auf Auswilderungen im benachbarten Böhmerwald zurück (Infos dazu unter www.luchsprojekt.de).

Das Auswilderungsprojekt im Harz gilt als erfolgreich. Ist deshalb der  Luchsbestand in Mitteldeutschland schon gesichert?

Auch wenn außerhalb des Harzes, so auch in Nordthüringen, immer mal wieder von Luchsbeobachtungen berichtet wird, ist der Luchs hier nach wie vor eine der seltensten Säugetierarten und auf Grund der geringen Individuenzahl nicht nur in Thüringen sondern in Gesamtdeutschland immer noch vom Aussterben bedroht. Eine auf den Harz und auf die  unmittelbar angrenzenden Gebiete begrenzte Population kann wegen zunehmend genetischer Verarmung auf Dauer nicht überleben. Es müssen deshalb Verbindungen zwischen den isolierten Luchsvorkommen Deutschlands geschaffen werden. Die Luchse aus dem Harz müssen die Luchse im Bayerischen Wald regelmäßig treffen können, um den genetischen Austausch zu ermöglichen. Auch hierbei müssen wir Menschen helfen, indem geeignete, das heißt waldreiche Wanderkorridore geschaffen und solche Hindernisse wie Autobahnen durch Wildbrücken und Wildtunnel für Luchse passierbar gemacht werden.

Der Schutz der Art Luchs kann deshalb nicht nur durch lokal begrenzte Projekte (z.B. das Luchsprojekt Harz oder das Luchsprojekt Bayerischer Wald) realisiert, sondern muss als gesamtdeutsches Artenschutzprojekt behandelt werden.


Droht eine Luchsplage?

In der Thüringer Landeszeitung vom 29.11.2008 (siehe Presse!) wird der Leiter der Unteren Jagdbehörde des nordthüringischen Landkreises Eichsfeld mit der Behauptung zitiert, dass es im besagten Landkreis bereits 50 Luchse gäbe, was natürlich problematisch ist. Diese Bestandsangabe ist dabei völlig aus der Luft gegriffen, unseriös und nur dazu geeignet, die gerade unter Jägern weit verbreitete Angst vor einer „Luchsplage“ in unverantwortlicher Weise zu schüren. Außerdem wird durch eine solche Äußerung, die bar jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnisse ist, das Vertrauen in diese Fachbehörde stark erschüttert.

Richtig ist, dass es bei uns zu einer „Luchsplage“ aus mehreren Gründen nicht kommen kann. Zunächst haben die einzelnen Tiere sehr große Reviere, in welchen sie in der Regel andere erwachsene Luchse des gleichen Geschlechts nicht dulden. Die Größen dieser Territorien hängen hauptsächlich von den dort verfügbaren Beutetieren ab und betragen in Mitteleuropa etwa 100 bis 200 km² für Weibchen und bis zu 400 km² für Männchen. Der Landkreis Eichsfeld hat eine Fläche von 940 km². Selbst wenn diese Fläche vollständig bewaldet wäre, es also weder Städte, Dörfer, Straßen, Industrie- und Agrarflächen gäbe, somit also optimale Lebensbedingungen für Luchse böte, würden hier nur etwa fünf Luchse leben können. Eine höhere Individuendichte wird einfach durch das Sozialverhalten und die benötigte Reviergröße verhindert. Tatsächlich betragen der Waldanteil und die damit für Luchse nutzbaren Flächen aber nur 30% des Landkreises, was die mögliche Luchsdichte weiter reduziert.

Es besteht somit auch keine Notwendigkeit zur Bejagung von Luchsen.


Rottet der Luchs die Rehe aus?

Tatsächlich ist in Deutschland außerhalb der Alpen das Reh das Hauptbeutetier des Luchses. Es hat genau die richtige Größe, so dass sich der Aufwand und der Nutzen der Jagd für den Luchs auch lohnen. Insofern ist die Angst unter Jägern, dass der Luchs das Reh ausrotten könnte, zunächst verständlich. Hier kann aber mit gutem Gewissen Entwarnung gegeben werden. Der Luchs kann das Reh in seiner Existenz nicht gefährden! Denn dazu gibt es viel zu wenig Luchse, die zudem sehr große Areale als Einzelgänger besiedeln.

Rehe und Luchse bilden in Europa und in Asien seit je her eine Räuber-Beute-Beziehung. Beide haben sich in ihrem Verhalten im Laufe der Evolution aneinander angepasst. So können sich Rehe hervorragend auf die Anwesenheit eines Luchses einstellen, in dem sie zu einer vorsichtigen und versteckten Lebensweise übergehen. Sich so verhaltende Rehe sind für den Luchs sehr schwer oder auch gar nicht zu erbeuten. Das ist wohl auch der Grund, weshalb Luchse so große Territorien bewohnen, da sie ihren Aufenthaltsort häufig wechseln müssen, um auf unaufmerksame und damit greifbare Rehe zu treffen.

War für den Luchs die Jagd auf ein Reh oder ähnlich großes Tier erfolgreich, kehrt er nach Möglichkeit an mehreren Tagen zum Riss zurück, um zu fressen. Luchse töten also nicht zu jeder Malzeit ein Reh. Im Jahr fallen in Deutschland und anderen Gebieten Europas einem Luchs etwa 50 bis 60 Rehe oder andere Tiere vergleichbarer Größe zum Opfer, was wegen der besagten niedrigen Luchsdichte den Rehpopulationen nicht schaden kann.

In einem solchem Gebiet, wie dem nordthüringischen Landkreis Eichsfeld, können etwa 3 Luchse leben, die im Jahr entsprechend 150 bis 180 Rehe erbeuten würden. Das ist verschwindend gering, bedenkt man, dass die Jagdausübenden im selben Landkreis pro Jahr etwa 2000 Rehe schießen und weitere etwa 400 Rehe Opfer des Straßenverkehrs werden.


Ist das Mufflon durch den Luchs in seiner Existenz bedroht?

Das Mufflon ist ein Wildschaf, dessen Heimat ursprünglich auf die Mittelmeerinseln Korsika, Sardinien und Zypern beschränkt war. Als attraktives Jagdwild wurde es um etwa 1900 in Deutschland angesiedelt. Dass die neuen Lebensräume für das Mufflon nicht optimal sind, fiel Jahrzehnte lang kaum auf. Erst mit der Rückkehr der Beutegreifer Wolf und Luchs nach Deutschland zeigt sich, dass das Mufflon an die meisten Landschaften Deutschlands und an die hier ansässige Begleitfauna schlecht angepasst ist. Anders als Rehe sind Mufflons in ihrer Evolution kaum mit großen Beutegreifern in Berührung gekommen. Schützende Verhaltensmuster sind somit wenig ausgebildet. In ihrer Heimat, den Mittelmeerinseln, bringen sich Mufflons bei Gefahr durch Klettern in schwer zugängliche Felsen in Sicherheit. In vielen Teilen Deutschlands fehlen solche Rückzugsgebiete, weshalb das Mufflon sich gerade vor Wölfen kaum in Sicherheit bringen kann. Im sächsischen Wolfsgebiet, der Lausitz, ist deshalb das Wildschaf in den letzten Jahren weitestgehend verschwunden.

Aber auch im Harz wird festgestellt, dass die Bestände des Mufflons kleiner werden. Hier wird dafür vielfach dem Luchs die Schuld gegeben. Es gibt aber bisher keine wissenschaftlichen Beweise, dass dem so ist. Im Gegenteil: aufgrund ihrer Sinnesleistungen, Mufflons können nämlich hervorragend riechen und sehen, sind sie in der Lage, den anpirschenden Luchs rechtzeitig zu bemerken und ihm dann auszuweichen. Denn anders als Wölfe, die Beutetiere auch über weite Strecken verfolgen, muss der Luchs bis auf wenige Meter an diese heran kommen, um sie mit wenigen Sprüngen oder einem kurzen Sprint zu erreichen. Mufflons können also durchaus in Luchsgebieten überleben. Das Abnehmen der Mufflonbestände im Harz kann also nicht allein dem Luchs angelastet werden. Möglicherweise spielen hier auch Krankheiten und feuchte, kalte Winter eine Rolle, an welche die ursprünglich mediterran vorkommenden Wildschafe nur unzureichend angepasst sind.